1923-54-2020-9111
Ein Zahlenrätsel? Ein Aktenzeichen? Nein.
Eine Erfolgsgeschichte des Artenschutzes!
Das aktuelle Zuchtbuch der Wisente führt 9111 Wisente zum Stichtag 31.12.2020. Wenn man bedenkt, dass 1923 nur noch 54 Tiere der Art, ausschließlich in Menschenhand existierten, dann haben wir und vor allem die Wisent-Artenschützer der vorangegangenen Generationen sehr vieles richtig gemacht. Wir haben heute das Privileg, so betrachte ich es zumindest, dass wir die Vision der Altvorderen erleben und gestalten dürfen: Der Wisent kehrt zurück in die Naturlandschaften Europas! „Nur“ knapp 1800 Wisente leben in Menschenhand. Über 7000 leben wieder frei oder semi-frei. Eine Erfolgsgeschichte, um die andere Artenschutzprojekte uns beneiden. An dieser Stelle sicher unnötig, noch einmal zu betonen, dass der Wisent das Paradebeispiel für die Rettung einer Tierart durch Haltung in Menschenhand ist. Ohne unsere Einrichtungen, die Zoos, Wild- und Tierparks wäre er ausgestorben.
Ist das jetzt alles Geschichte? Sind unsere Bemühungen für die Tierart unnötig geworden, weil wir es geschafft haben? Nein, ganz sicher nicht! Es sind wieder 9111, toll! Aber, es sind auch „nur“ 9111. Vergleichen wir den Wisent mit den Zahlen anderer, zum Teil sehr viel prominenterer Artenschutz-Tiere (Elefanten, Giraffen), dann sind sie absolut gesehen sehr gering. Die Risiken, denen der Wisent in historischer Zeit ausgesetzt war, existieren weiter. Lebensraumzerstörung, Konkurrenz zu Weidetieren, illegale Abschüsse, fehlende Akzeptanz, Angst vor dem unbekannten Riesen sind die Kriterien, auf die wir zumindest geringfügig gesellschaftlich Einfluss nehmen können. Andere Faktoren liegen nicht in unserer Hand. Da sind allem voran Krankheiten zu nennen. Seuchenzüge wie durch das Blauzungenvirus, TBC-Erkrankungen, die in jüngster Zeit in Polen zum Eliminieren einer ganzen Teilpopulation geführt haben, stellen erhebliche Risiken dar. Erstmalig ist kürzlich in einem Wisentbestand Telasiosis aufgetreten, eine durch Parasiten hervorgerufene und durch Fliegen verbreitete Augenerkrankung, die zur völligen Erblindung führt. Auch hier mussten ca. 40 Tiere, die erkennbar Symptome zeigten, getötet werden. Niemand weiß, was noch kommen wird. Dass unvorstellbare Dinge passieren, erlebt die Menschheit ja gerade am eigenen Leibe.
Dass der Wisent aufgrund der geringen Ausgangszahl einen hohen Inzuchtkoeffizienten und eine geringe genetische Variabilität aufweist, ist hinlänglich bekannt. Zu vermuten ist, dass diese Tatsache seine Reaktionsfähigkeit auf Umwelteinflüsse negativ beeinflusst.
Was ist denn nun unsere Aufgabe in der Fortsetzung der Erfolgsgeschichte? Ich sehe da im Wesentlichen drei Schwerpunkte.
Da sind zunächst mal ganz klassisch Zucht und Haltung von Wisenten. Unsere Einrichtungen stellen die „Notfallreserve“ für die Tierart dar. Wir haben die Möglichkeiten tierärztlich zu behandeln, vorbeugend zu impfen, Quarantänemaßnahmen zu treffen und alles zu tun, was die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere in Menschenhand anbelangt. Unabhängig davon, was „draußen“ passiert sichern wir so langfristig das Überleben der Art.
Ein zweiter Schwerpunkt ist die Bereitstellung von Tieren für neue oder bereits etablierte Freilandprojekte.